Dicke Beine: Was ist die Ursache?

Venöse Insuffizienz, Herz- oder Lymphödem - Bei der Abklärung von Ödemen sind weniger Apparate, sondern eher Fingerspitzengefühl und Sachverstand gefragt.

Erste Regel bei geschwollenen Beinen: Die Ursache einseitiger Schwellungen ist im betroffenen Bein zu suchen, beidseitige gehen auf weiter proximale Auslöser bzw. eine Systemerkrankung zurück. Daraufhin stellt sich die Frage: Handelt es sich um eine echte Gewebsvermehrung (Fett, Tumor) oder erhöhten „Flüssigkeitsgehalt“ (Ödem)? Für Ödeme wiederum gibt es folgende Gründe:

  • Rücktransportstörung (venös, lymphatisch),
  • Volumenüberladung (Herzinsuffizienz),
  • Permeabilitätsstörung (entzündlich, hypoxisch-toxisch, idiopathisch-zyklisch, medikamentös induziert),
  • verminderter onkotischer Druck (Hypalbuminämie, u.a. durch gestörten Eiweißstoffwechsel = Leber, oder Proteinurie = Niere),
  • verminderter osmotischer Druck (Kaliummangel),
  • erhöhte strukturelle Gefäßpermeabilität (Siliziummangel, fehlende B-Vitamine, Kalzium),
  • operativ entfernte Lymphknoten im Abflußbereich (z.B. Leiste nach Gebärmutterresektion, verminderter Rückfluss)

Bei den meisten Ödemen sammelt sich die Flüssigkeit epifaszial – sie lässt sich durch Druck verdrängen.

 

Eiweißmangel? Druckdelle verschwindet sofort

Schon der Widerstand beim Drücken und die nachfolgende Rückbildung geben Hinweise auf den Eiweißgehalt.

Hypalbuminämische Ödeme zeichnen sich dadurch aus, dass die Delle direkt wieder verschwindet. Die stark eiweißreiche Flüssigkeit beim Lymphödem dagegen führt zu einer minutenlang sichtbaren Delle. Resultiert nach lange bestehender Schwellung eine Bindegewebsvermehrung der Subkutis (Stauungsinduration), lässt sich keine Delle mehr drücken.

Zu den häufigsten Ursachen der einseitigen Umfangsvermehrung zählt die tiefe Beinvenenthrombose. Die Schwellung fällt besonders stark aus, wenn der Verschluss akut eintritt, und umso stärker, je wichtiger das verschlossene Segment für den Rücktransport ist.

Somit finden sich besonders ausgeprägte Schwellungen bei Blockade der V. femoralis superior und V. profunda femoris. Die sogenannte Glanzhaut entsteht, wenn die Kutis stark gedehnt wird.

Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer tiefen Beinvenenthrombose (nach Wells). Liegt die D-Dimere negativ, kann bei etwa 40 % aller Verdachtsfälle ohne weitere Bildgebung die Thrombose ausgeschlossen werden. Anderenfalls gilt die Kompressionssonographie als Methode der Wahl.

 

Ödem bei CVI am stärksten ausgeprägt

Als Auslöser beidseitiger Schwellungen kommen folgende Erkrankungen in Betracht: Rechtsherzinsuffizienz, primäre oder arthrogen bedingte chronisch-venöse Insuffizienz sowie medikamentös induziertes und idiopathisch-zyklisches Ödem im Rahmen des prämenstruellen Syndroms.

Das Ödem bei chronisch-venöser Insuffizienz – egal welcher Genese – ist distal am stärks­ten ausgeprägt und verschwindet durch Hochlagerung. Dazu kommen im Stadium I Stauungsbeschwerden und Schweregefühl, im Stadium II irreversible Hautveränderungen und im Stadium III Ulzerationen.

 

Lymph- und Venenödem am Tagesverlauf unterscheiden

Die Diagnose wird klinisch gestellt, der tageszeitliche Verlauf und die Abhängigkeit von Körperhaltung und Außentemperatur führen auf die richtige Spur.

Im Gegensatz dazu bilden sich Lymphödeme – primär anlagebedingt oder sekundär, z.B. als Folge einer chronisch-venösen Insuffizienz – über Nacht nicht vollständig zurück, begleitende Hauterscheinungen fehlen. Typisch sind Schnürfurchen auf Höhe der Gelenke.

Bei distalem Befall sind die Zehen mit eingeschlossen, die dann in Schuh oder Strumpf eine eckige Form annehmen („Kastenzehen“). Schon zuvor lässt sich die Haut der Zehenstreckseite mit Fingern oder Pinzette nicht mehr abheben („Stemmer-Zeichen“). All diese Hinweise ermöglichen eine klinische Diagnose des Lymphödems.

 

Lymphödem lockt gerne das Erysipel herbei

Zwischen Lymphödem und Erysipel gibt es eine wechselseitige Beziehung: Die Entzündung kann die primären Lymphspalten verkleben und Lymphgefäße obliterieren, umgekehrt macht die verlangsamte Lymphdrainage beim Ödem das System anfälliger für Infektionen.

Ödeme durch Herzinsuffizienz bilden sich nachts seltener zurück als venöse. An überdehnten oder mazerierten Arealen kann Flüssigkeit frei austreten, bei starker Ausprägung drohen Spannungsblasen. Eine begleitende sterile Entzündung verursacht Rötungen und Schmerzen.

Hypalbuminämische, sehr mobile Ödeme bei Leberinsuffizienz sind distal betont, die Haut zeigt keine Verfärbung, erscheint aber glasig.

 

Bei Diabetikern an Phlegmone denken!

Bei Diabetikern muss man an eine Phlegmone durch – oft unscheinbare – Fußläsionen denken. Diese kann eine potenziell lebensbedrohlichen Situation heraufbeschwören.

Hypoxisch-toxische Ödeme durch chronisch-kritische Extremitätenischämie sind bei pAVK keine Seltenheit. Charakteristisch erscheinen Zehen und Vorfuß teigig geschwollen, akrale Läsionen fehlen, irreführenderweise besteht oft aufgrund maximaler Vasodilatation eine Hautrötung. Als seltene Differenzialdiagnose von Beinschwellungen nennen die Kollegen Tumoren wie Weichteilsarkome.

 

Blickdiagnose Säulenbein mit schlanken Fesseln

Eine beidseitige Umfangsvermehrung durch charakteristische Verteilung des subkutanen Fettgewebes – vermutlich aufgrund autonomen oder autokrinen Wachstums – resultiert beim Lipödem. Fast ausschließlich erkranken postpubertäre Mädchen und Frauen.

Die typische Verteilung mit Schwerpunkt Oberschenkel und mediale Knieregion sowie die multipel eingezogene Hautoberfläche („Säulenbein“) weisen diagnostisch den Weg. Füße und Fesseln zeigen sich vielfach schlank. Zu Begleitsymptomen gehören Hämatomneigung nach Bagatelltraumen und zunehmender Berührungsschmerz. 

 

Durch Medikamente 
induzierte Ödeme

Am häufigsten und stärksten lösen Antihypertensiva – v. a. Kalziumantagonisten vom Nifedipin-Typ – Ödeme aus. Diese treten am Knöchel auf, nehmen tagsüber zu und bilden sich nachts zurück. Der Kapillar-Leck-Effekt ist dosisabhänig und schwächt sich auch nach längerer Anwendung nicht ab. Abhilfe schaffen Dosisreduktion, Kombination mit einem ACE-Hemmer, abendliche Einnahme oder Wechsel auf ein Präparat mit höherer Lipophilie (z.B. Lercanidipin).

Auch Diuretika können Ödeme verursachen, die sich nicht nur an den Knöcheln, sondern auch an Armen und Augenlidern bilden, der ganze Körper fühlt sich gespannt an. Grund ist die Mehrausscheidung von Wasser und Natrium, die die verstärkte Produktion von Aldosteron und Hormonen provoziert.